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Offizielle Lesekreise 2019: Literaturkreis Goslar 1981

Unschlagbar: Seit 38 Jahren gibt es den Literaturkreis Goslar inzwischen. Jeden Monat treffen sich die elf Mitglieder – größtenteils Ehepaare – um über Literatur zu diskutieren. Dabei ist der Leseclub nicht päpstlicher als der Papst: Haben etwa urlaubsbedingt nur wenige Zeit, geht man ins Theater oder setzt sich im Sommer unter einen Baum und liest gemeinsam Texte.

Die Auswahl der Bücher wird übrigens für ein Jahr im Voraus getroffen. Wer ein Werk vorschlägt, bereitet sich eingehender vor, liefert Hintergrundinformationen zu Roman, Autor*in und etwaiger Verfilmung. Gelesen wird übrigens querbeet, von Goethe bis Gegenwartsautoren – und oft international: Viele Mitglieder des Lesekreises können die Texte im Original lesen, sei es Englisch, Ungarisch, Spanisch oder Französisch, und schlagen entsprechend Bücher aus diesen Sprachräumen vor.

Dr. Reingart Broicher vom Literaturkreis gewährt einen Einblick hinter die Kulissen:

Was war die Motivation dafür, den Lesekreis zu gründen?

Gegründet habe ich den Lesekreis 1981. Ich hatte davor drei Jahre im pazifischen Raum gelebt, in Fidschi, um genau zu sein, und war dort Mitglied eines sehr gut organisierten Book Clubs. Mit dieser tollen Erfahrung, die ich vorher so nicht gemacht hatte, bin ich nach Goslar gezogen und habe bald einige neue Bekannte gefragt, ob sie Lust haben, bei einem Literaturkreis mitzumachen.

Was war das erinnerungswürdigste Treffen bisher?

Sehr spannend für uns war das erste Treffen, bei dem wir über „Wuthering Heights“ von Emily Brontë sprachen – die meisten von uns kannten das Buch noch als Schullektüre und hatten es ganz anders in Erinnerung. Richtig Arbeit war „Der Zauberberg“, ein Mammutprojekt, das wir in drei Teilen bewältigten.

Einmal im Jahr verbringen wir übrigens ein Wochenende zusammen, machen beispielsweise Radtouren und lesen dazu passende Autoren wie etwa Fontane mit den Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Sehr schön war, als wir zu Thomas Hettches Roman „Die Pfaueninsel“, der 2014 für den Buchpreis nominiert war, über die Pfaueninsel wanderten, uns an vielen Stationen hinsetzten und die dazu gehörigen Textstellen laut lasen. So etwas sind absolute Höhepunkte.

Welche drei Titel wurden zuletzt besprochen?

„Mittagsstunde“ von Dörte Hansen haben wir gern gelesen; zum einen spielt es in unserer näheren Umgebung, zum anderen beschreibt die Autorin das Verschwinden unserer alten Welt. Da die meisten von uns bereits Mitte 70 sind, konnten wir das also selbst beobachten. Außerdem stand „Der Lärm der Zeit“ von Julian Barnes kürzlich auf dem Leseplan, dazu haben wir über „Das Porträt“ von Gogol und „Dorian Gray“ von Oscar Wilde gesprochen, zwei Bücher, die in dem Roman erwähnt werden und die wir auch gelesen hatten.

Und über „Requiem für einen spanischen Landmann“ des mexikanischen Autors Ramón José Sender haben wir ebenfalls diskutiert. Auf nur 100 Seiten erzählt der Exilant Sender von den sozialen Verhältnissen vor dem Spanischen Bürgerkrieg. Jedes unserer Treffen empfinden wir als einen Gewinn!