„Alle Menschen waren zur Unsicherheit verurteilt, aber die Seinigen von Geburt an, nur weil es sie gab“
Geboren in den 1920er Jahren und aufgewachsen in Reinbeck bei Hamburg verlebten die Brüder Erich und Jürgen-Arthur die Kindheit eines alten Idyll. Der Vater Richter, die Mutter Hausfrau, selbstverständlich mit Haus und Garten. Alt-deutsche Perfektion in Reinform. Doch langsam schleichend macht sich der Umbruch bemerkbar. Der Vater ging nicht mehr zu Arbeit, die beiden Brüder mussten die Schule verlassen. Am 18.Mai 1939 fand die drohende Katastrophe ihren Höhepunkt als die Eltern beide Kinder – zehn und 14 Jahre alt – nach Italien zu Verwandten schickten. Als es auch dort zu gefährlich wurde fanden sie Zuflucht in einem Internat in Frankreich. Sie wurden zu Verfolgten. Verfolgt aufgrund ihrer Abstammung, denn sie waren Juden.
In „Der versperrte Weg“ erzählt Georges-Arthur Goldschmidt die autobiographische Geschichte seines vier Jahre älteren Bruders Erich. Erich, der schon von Beginn an so anders war als sein kleiner Bruder Jürgen Arthur. Erich, der Freud und Leid mit sich selbst ausmachte.
„Um keine bitteren Tränen zu weinen, hatte er in sich das Aufsteigen von Kummer abgeschaltet“ schreibt Goldschmidt über seinen großen Bruder. In seiner Deutschen Identität fand er jedoch Trost, Deutschsein verkörperte alles wofür er stand. Ordnung, Zuverlässigkeit, wenig Emotionalität. „Alles Deutsche war Lebensinhalt für ihn. Auf dem Fahrrad fühlte er sich deutsch über alles. Am Erntedankfest hatten die Eltern nicht einmal schwarz-weiß-rot flaggen dürfen, von der Hakenkreuzfahne ganz zu schweigen, aber auf die Flagge war er im Voraus doch so stolz gewesen!“ Es war der Zeitgeist der Zeit.
Sein über alles geliebtes Land hat ihn verstoßen, setzte alles daran ihn zu töten, weil er Jude war. Aufgrund seiner bloßen Existenz. in Gefühl mit dem ich mit identifizieren konnte. Diese wachsende Erkenntnis führt zu einer inneren Zerrissenheit und Unsicherheit Erichs, die in mir ein großes Mitleid hervorgerufen hat. Er hat den Krieg zwar überlebt, aber den inneren Krieg führte er bis zu seinem Lebensende. Goldschmidt hat uns bewegend und nahbar an den Erinnerungen an seinen Bruder teilhaben lassen. Klare Leseempfehlung.
Den Originalbeitrag findet ihr im Instagram-Account von Chidera Nitsche.