Wenn man es genau nimmt, hatte dieser Berliner Lesekreis bisher gar keinen Namen. „Die Ausdauernden Sieben“ trifft den Nagel aber auf den Kopf, schließlich wurde er vor 33 Jahren gegründet, trifft sich seit dem Jahr 1993 in der aktuellen Formation – und das jeden Donnerstag! Der kurzzeitige Versuch, den Rhythmus auf alle zwei Wochen auszudehnen, schlug fehl. Aus gutem Grund: Die ausdauernden Frauen lesen sich nämlich gegenseitig vor.
Vor dem Vorlesen und Diskutieren wird übrigens gemeinsam gegessen. Reihum treffen sie sich in der Wohnung einer der sieben Frauen, die jeweilige Gastgeberin kocht für alle. Beim Essen in entspannter Runde diskutieren sie auch über Bücher, die nicht gemeinsam gelesen wurden, bevor es ans Lesen geht.
Regina Porrmann vom Lesekreis gewährt einen Einblick hinter die Kulissen:
Was war die Motivation dafür, den Lesekreis zu gründen?
Der Lesekreis wurde von drei DDR-Frauen, die Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre nach Westberlin kamen – entweder per Flucht oder mit offiziellem Ausreiseantrag – gegründet. Schon in der DDR nahmen sie an einem von der Stasi beobachteten Philosophiekreis teil, in Westberlin wurde ein privater Literaturkreis daraus. Ich selbst stieß im Jahr 1993 zum Lesekreis. Meine damalige Nachbarin sagte zu mir „Meine Lesefrauen kommen“, und als sie mir den Hintergrund erklärte, war für mich klar: Ich möchte mitmachen!
Dass der Lesekreis damals auf das Konzept des Vorlesens kam, hat einen ganz pragmatischen Grund: Die Gründerin war alleinerziehende Mutter und hatte wenig Zeit. Also beschloss der Kreis, einfach gemeinsam zu lesen. Das haben wir seitdem beibehalten. Mindestens zwei von uns sieben sind hervorragende Vorleserinnen, da wird das Zuhören zum Genuss.
Was war das erinnerungswürdigste Treffen bisher?
Einige von uns fanden die Diskussion um Takis Würgers „Stella“ besonders denkwürdig, da sie außergewöhnlich emotional war. Ich selbst fand den Roman literarisch so schlecht, dass ich sogar überlegt habe, ein Treffen ausfallen zu lassen.
Ein literarisch denkwürdiges Treffen hatten wir, als eine Neuübersetzung von „Rot und Schwarz“ von Stendhal erschien. Eine von uns hatte eine alte DDR-, eine weitere eine alte Westausgabe, und so haben wir einige Kapitel der drei Übersetzungen parallel gelesen und verglichen. Es war spannend festzustellen: Das sind stellenweise drei unterschiedliche Bücher. Seitdem achten wir stärker auf Übersetzungen.
Welche drei Titel wurden zuletzt besprochen?
Im Moment lesen wir „Damals“ von Siri Hustvedt, überlegen allerdings, ob wir das nicht abbrechen, weil es sich für uns nicht zum Vorlesen eignet. Es passiert übrigens öfter, dass wir ein Buch beginnen und dann merken, dass wir es lieber individuell weiterlesen. Angefangen und nicht weitergelesen haben wir auch „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ von Karen Duve, weil es einigen von uns zu langatmig war. Zuletzt durchgelesen haben wir „Unsere Seelen bei Nacht“ von Kent Haruf, „Im Kielwasser“ von Per Petterson, und das bereits schon erwähnte „Stella“ von Takis Würger.